Welche Vorgänge durchläuft der Alkohol, bis er am Ende als hochprozentig eingestuft werden kann? – Unser Interviewpartner Kurt Sartorius, Initiator und Leiter des Schwäbischen Schnapsmuseums Bönnigheim, teilt Expertenwissen mit uns!
BrüggemannAlcohol: Was genau ist eine Brennblase?
Kurt Sartorius: Dazu schauen wir uns zuerst einmal eine Destillation an sich an. Dieses Verfahren stellt eine physikalische Trennung zweier Flüssigkeiten dar. Wasser siedet bei 100 °C und Alkohol bei 78 °C. Wenn also die Flüssigkeit erwärmt wird, verdampft der Alkohol zuerst. Voraussetzung in einem solchen Vorgang ist die Verwendung eines abschließbaren Gefäßes mit einer Öffnung. Hier kommt die Brennblase ins Spiel. In ihr wird die Maische erhitzt und zum Sieden gebracht. Die alkoholhaltigen Dämpfe werden über Helm und Geistrohr zum Kühler geleitet. Dort kühlen die Dämpfe ab und kondensieren. Lediglich der Kühler durchlief eine Reihe an Entwicklungen: Luftkühler, Röhrenkühler, Tellerkühler oder Stangenkühler sind einige Entwicklungsschritte. In Baden-Württemberg setzen Kleinbrennereien Gefäße mit bis zu 150 Litern Fassungsvermögen ein. Größere Brennblasen sind zum Beispiel in Schottland zu finden. Dort fassen sie 5.000 Liter. Grundsätzlich anders ist es bei der Destillierkolonne. Dort wird die Maische oben hineingepumpt und läuft über verschiedene Verstärkerböden nach unten. Von unten wird Dampf eingeleitet, der die Maische entgeistet.
BrüggemannAlcohol: Mit welchem Stoff wird ein Brennvorgang begonnen?
Kurt Sartorius: Die Maische ist eine alkoholhaltige Flüssigkeit wie Wein, Obstmost oder eingemaischtes Obst und stellt den Ausgangsstoff dar. Alternativ kann der Ausgangsstoff auch aus Getreide oder Korn gewonnen werden, benötigt jedoch einen Zwischenschritt. Denn vor dem Destillieren muss die Getreidestärke in Fruchtzucker umgewandelt werden. Letzterer wird mit Hefebakterien vergärt und dadurch in Alkohol umgewandelt. Egal welche Maische als Ausgangsstoff dient, er enthält lediglich etwa 7 - 8 vol.% Alkohol. Nach dem ersten Brennen steigt der Alkoholgehalt auf 20 vol.% an. Innerhalb eines weiteren Durchlaufes erreicht die Flüssigkeit, nun Trinkbranntwein, 40 - 50 vol.%.
BrüggemannAlcohol: Wie entsteht hochprozentiger Alkohol?
Kurt Sartorius: Jeder weitere Destillationsvorgang erhöht den Alkoholgehalt. Das erfordert aber Zeit und Energie. Im 19. Jahrhundert wurde intensiv an der Destillation gearbeitet. Durch neue Verfahren konnte schließlich hochprozentiger Alkoholgehalt mit einem Brand erreicht werden. Zu jener Zeit begann der Einsatz von Verstärkereinrichtungen für den Brennvorgang. Zwar existierten verwandte Konstruktionen schon aus dem 16. Jahrhundert, jedoch konnte erst mit der Erfindung des Pistoriusbeckens 1817 hochprozentiger Alkohol hergestellt werden. Dabei kühlt Wasser die alkoholhaltigen Dämpfe in einem linsenförmigen Behälter ab. Wasser kondensiert bei 100° C, Alkohol bei 78° C. Deshalb kondensiert zuerst Wasser, der Alkohol bleibt dampfförmig. In weiteren Pistoriusbecken wird der Alkohol bis etwa 70 vol.% verstärkt, und das in einem Brand. Im Anschluss wird der Dampf durch eine Kühlvorrichtung geleitet, wo er kondensiert und letztendlich eine wässrige Alkohollösung entsteht. Die entwickelten Verstärkereinrichtungen beschleunigen dies enorm. Der sogenannte Glockenboden stellt den bekanntesten Verstärker dar. Dabei wird Dampf durch eine Glocke geleitet, um zum selben Effekt zu kommen: Das Wasser kondensiert und der Alkohol bleibt dampfförmig bzw. verdampft erneut. Durch die Hintereinanderschaltung von mehreren Glockenböden, heute auch Siebböden, kann ein höherer Alkoholgehalt erzielt werden. Mindestens 20 große Glockenböden werden in mächtigen Kolonnen hintereinandergeschaltet. (Damit arbeitet z.B. die Firma Brüggemann, und erzeugt Alkohol mit 96 vol.% Alkohol.)
Bildnachweis: linkes Bild: Brennblase, Helm und Geistrohr aus Kupfer (c) Schwäbisches Schnapsmuseum, rechtes Bild: Behrend Destillationsgerät mit Schlangenkühler, Kurzgefasste Anleitung zum praktischen Brennereibetrieb, 1885 (c) Schwäbisches Schnapsmuseum
BrüggemannAlcohol: Welche Vor- und Nachteile bringt die Brennblase mit sich?
Kurt Sartorius: Der Vorteil der Brennblase liegt in der resultierenden Qualität des Endproduktes. Vor allem beim Obstbrand sollen die Aromen im Alkohol konzentriert werden. Das gelingt mit der Brennblase besser als in der Kolonne. Der Helm hat dabei noch den Vorteil, dass er Schaum der Maische zusammenfallen lässt, so dass dieser nicht in den Kühler und damit in das Destillat gelangt. Dies würde die Qualität und Genießbarkeit des Produktes beeinflussen. Aus diesem Grund werden in der Kolonne vorrangig Korn- oder Kartoffelmaische destilliert.
BrüggemannAlcohol: Warum wird für Brennanlagen bevorzugt Kupfer verwendet?
Kurt Sartorius: Kupfer ist leicht zu bearbeiten bzw. in die benötigte Form zu bringen. Das Material erweist sich als guter Wärmeleiter sowie als sehr korrosionsbeständig. Dennoch liegt der Hauptgrund für die Wahl auf Kupfer an seiner Fähigkeit, Schwefel zu binden. Solche Verbindungen sind in der Maische. Ohne die chemische Wirkung von Kupfer würden diese ins Destillat übergehen und dessen Geschmack und Qualität beeinflussen.
Wenn sich jemand über Alkoholhistorie als Spezialist bezeichnen kann, dann Kurt Sartorius, Initiator und Leiter des Schwäbischen Schnapsmuseums Bönnigheim. Vor 44 Jahren baute er seine erste Schnapsbrennerei aus und beschäftigt sich fortan intensiv mit der Schnapsgeschichte. Folglich sollte aus der Brennerei ein Heimatmuseum entstehen. Aufgrund einer Empfehlung des Landesmuseums im Jahr 1985 entwickelte sich daraus der Ansatz zur Planung eines Spezialmuseums. Die vielfältig vorhandene Angebotsbreite regionaler Weinbaumuseen begünstigte die Idee der Erschaffung eines Schnapsmuseums (Eröffnung 1993). Heute verfügt Kurt Sartorius über Deutschlands größte alkoholgeschichtliche Museumssammlung. Insbesondere Destillationstechniken, die Entwicklung der Alkoholgeschichte und Schwarzbrennereien zählen zu seinen Fachgebieten. 2020 wurde das Schwäbische Schnapsmuseum für den Berliner Spirit Awards of Tradition nominiert.