Ein Destillationsgerät mit Alembik und Luftkühlung. Aus: Kräuterbuch des Matthioli, 1586

Auf den Spuren des Alkohols - Mit der Brennblase zu hochprozentigem Alkohol

Mit unserer Inter­view­reihe „Auf den Spuren des Alko­hols“ beleuchten wir im zweiten Teil die Funk­ti­ons­weise einer Brenn­blase: 

Welche Vorgänge durch­läuft der Alkohol, bis er am Ende als hoch­pro­zentig einge­stuft werden kann? – Unser Inter­view­partner Kurt Sarto­rius, Initi­ator und Leiter des Schwä­bi­schen Schnaps­mu­seums Bönnig­heim, teilt Exper­ten­wissen mit uns!

Brüggemann­Alcohol: Was genau ist eine Brenn­blase?

Kurt Sarto­rius: Dazu schauen wir uns zuerst einmal eine Destil­la­tion an sich an. Dieses Verfahren stellt eine physi­ka­li­sche Tren­nung zweier Flüs­sig­keiten dar. Wasser siedet bei 100 °C und Alkohol bei 78 °C. Wenn also die Flüs­sig­keit erwärmt wird, verdampft der Alkohol zuerst. Voraus­set­zung in einem solchen Vorgang ist die Verwen­dung eines abschließ­baren Gefäßes mit einer Öffnung. Hier kommt die Brenn­blase ins Spiel. In ihr wird die Maische erhitzt und zum Sieden gebracht. Die alko­hol­hal­tigen Dämpfe werden über Helm und Geist­rohr zum Kühler geleitet. Dort kühlen die Dämpfe ab und konden­sieren. Ledig­lich der Kühler durch­lief eine Reihe an Entwick­lungen: Luft­kühler, Röhren­kühler, Teller­kühler oder Stan­gen­kühler sind einige Entwick­lungs­schritte. In Baden-Würt­tem­berg setzen Klein­bren­ne­reien Gefäße mit bis zu 150 Litern Fassungs­ver­mögen ein. Größere Brenn­blasen sind zum Beispiel in Schott­land zu finden. Dort fassen sie 5.000 Liter. Grund­sätz­lich anders ist es bei der Destil­lier­ko­lonne.  Dort wird die Maische oben hinein­ge­pumpt und läuft über verschie­dene Verstär­ker­böden nach unten. Von unten wird Dampf einge­leitet, der die Maische entgeistet.

Brüggemann­Alcohol: Mit welchem Stoff wird ein Brenn­vor­gang begonnen?

Kurt Sarto­rius: Die Maische ist eine alko­hol­hal­tige Flüs­sig­keit wie Wein, Obst­most oder einge­maischtes Obst und stellt den Ausgangs­stoff dar. Alter­nativ kann der Ausgangs­stoff auch aus Getreide oder Korn gewonnen werden, benö­tigt jedoch einen Zwischen­schritt. Denn vor dem Destil­lieren muss die Getrei­de­stärke in Frucht­zu­cker umge­wan­delt werden. Letz­terer wird mit Hefebak­te­rien vergärt und dadurch in Alkohol umge­wan­delt. Egal welche Maische als Ausgangs­stoff dient, er enthält ledig­lich etwa 7 - 8 vol.% Alkohol. Nach dem ersten Brennen steigt der Alko­hol­ge­halt auf 20 vol.% an. Inner­halb eines weiteren Durch­laufes erreicht die Flüs­sig­keit, nun Trink­brannt­wein, 40 - 50 vol.%.

Brüggemann­Alcohol: Wie entsteht hoch­pro­zen­tiger Alkohol?

Kurt Sarto­rius: Jeder weitere Destil­la­ti­ons­vor­gang erhöht den Alko­hol­ge­halt. Das erfor­dert aber Zeit und Energie. Im 19. Jahr­hun­dert wurde intensiv an der Destil­la­tion gear­beitet. Durch neue Verfahren konnte schließ­lich hoch­pro­zen­tiger Alko­hol­ge­halt mit einem Brand erreicht werden. Zu jener Zeit begann der Einsatz von Verstär­ker­ein­rich­tungen für den Brenn­vor­gang. Zwar exis­tierten verwandte Konstruk­ti­onen schon aus dem 16. Jahr­hun­dert, jedoch konnte erst mit der Erfin­dung des Pisto­ri­us­be­ckens 1817 hoch­pro­zen­tiger Alkohol herge­stellt werden. Dabei kühlt Wasser die alko­hol­hal­tigen Dämpfe in einem linsen­för­migen Behälter ab. Wasser konden­siert bei 100° C, Alkohol bei 78° C. Deshalb konden­siert zuerst Wasser, der Alkohol bleibt dampf­förmig. In weiteren Pisto­ri­us­be­cken wird der Alkohol bis etwa 70 vol.% verstärkt, und das in einem Brand. Im Anschluss wird der Dampf durch eine Kühl­vor­rich­tung geleitet, wo er konden­siert und letzt­end­lich eine wäss­rige Alko­hol­lö­sung entsteht. Die entwi­ckelten Verstär­ker­ein­rich­tungen beschleu­nigen dies enorm. Der soge­nannte Glocken­boden stellt den bekann­testen Verstärker dar. Dabei wird Dampf durch eine Glocke geleitet, um zum selben Effekt zu kommen: Das Wasser konden­siert und der Alkohol bleibt dampf­förmig bzw. verdampft erneut. Durch die Hinter­ein­an­der­schal­tung von mehreren Glocken­böden, heute auch Sieb­böden, kann ein höherer Alko­hol­ge­halt erzielt werden. Mindes­tens 20 große Glocken­böden werden in mäch­tigen Kolonnen hinter­ein­an­der­ge­schaltet. (Damit arbeitet z.B. die Firma Brüg­ge­mann, und erzeugt Alkohol mit 96 vol.% Alkohol.)

 

Bild­nach­weis: linkes Bild: Brenn­blase, Helm und Geist­rohr aus Kupfer (c) Schwä­bi­sches Schnaps­mu­seum, rechtes Bild: Behrend Destil­la­ti­ons­gerät mit Schlan­gen­kühler, Kurz­ge­fasste Anlei­tung zum prak­ti­schen Bren­ne­rei­be­trieb, 1885 (c) Schwä­bi­sches Schnaps­mu­seum

Brüggemann­Alcohol: Welche Vor- und Nach­teile bringt die Brenn­blase mit sich?

Kurt Sarto­rius: Der Vorteil der Brenn­blase liegt in der resul­tie­renden Qualität des Endpro­duktes. Vor allem beim Obst­brand sollen die Aromen im Alkohol konzen­triert werden. Das gelingt mit der Brenn­blase besser als in der Kolonne. Der Helm hat dabei noch den Vorteil, dass er Schaum der Maische zusam­men­fallen lässt, so dass dieser nicht in den Kühler und damit in das Destillat gelangt. Dies würde die Qualität und Geni­eß­bar­keit des Produktes beein­flussen. Aus diesem Grund werden in der Kolonne vorrangig Korn- oder Kartof­fel­mai­sche destil­liert.

Brüggemann­Alcohol: Warum wird für Bren­n­an­lagen bevor­zugt Kupfer verwendet?

Kurt Sarto­rius: Kupfer ist leicht zu bear­beiten bzw. in die benö­tigte Form zu bringen. Das Mate­rial erweist sich als guter Wärme­leiter sowie als sehr korro­si­ons­be­ständig. Dennoch liegt der Haupt­grund für die Wahl auf Kupfer an seiner Fähig­keit, Schwefel zu binden. Solche Verbin­dungen sind in der Maische. Ohne die chemi­sche Wirkung von Kupfer würden diese ins Destillat über­gehen und dessen Geschmack und Qualität beein­flussen.

Wenn sich jemand über Alko­hol­his­torie als Spezi­a­list bezeichnen kann, dann Kurt Sarto­rius, Initi­ator und Leiter des Schwä­bi­schen Schnaps­mu­seums Bönnig­heim. Vor 44 Jahren baute er seine erste Schnaps­bren­nerei aus und beschäf­tigt sich fortan intensiv mit der Schnaps­ge­schichte. Folg­lich sollte aus der Bren­nerei ein Heimat­mu­seum entstehen. Aufgrund einer Empfeh­lung des Landes­mu­seums im Jahr 1985 entwi­ckelte sich daraus der Ansatz zur Planung eines Spezi­al­mu­seums. Die viel­fältig vorhan­dene Ange­bots­breite regi­o­naler Wein­bau­museen begüns­tigte die Idee der Erschaf­fung eines Schnaps­mu­seums (Eröff­nung 1993). Heute verfügt Kurt Sarto­rius über Deut­sch­lands größte alko­hol­ge­schicht­liche Muse­ums­samm­lung. Insbe­son­dere Destil­la­ti­ons­tech­niken, die Entwick­lung der Alko­hol­ge­schichte und Schwa­rz­bren­ne­reien zählen zu seinen Fach­ge­bieten. 2020 wurde das Schwä­bi­sche Schnaps­mu­seum für den Berliner Spirit Awards of Tradi­tion nomi­niert.

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