Ein Destillationsgerät mit Alembik und Luftkühlung. Aus: Kräuterbuch des Matthioli, 1586

Auf den Spuren des Alkohols – Vom Rosenöl zur hochprozentigen Alkoholdestillation

Mit unserer Inter­view­reihe „Auf den Spuren des Alko­hols“ beleuchten wir im ersten Teil die Anfänge der Alko­hol­her­stel­lung. 

Von Ölen in China, über den Magister aus Salerno bis hin zu dem heute in Deut­sch­land bekannten Wein­geist – unser Inter­view­partner Kurt Sarto­rius, Initi­ator und Leiter des Schwä­bi­schen Schnaps­mu­seums Bönnig­heim, teilt Exper­ten­wissen mit uns!

Brüggemann­Alcohol: Wann wurde erst­malig in der Geschichte ein Destil­la­ti­ons­pro­zess durch­ge­führt?

Kurt Sarto­rius: Das Verfahren der Destil­la­tion exis­tiert schon seit über 5.000 Jahren. Als Pioniere für diesen Prozess galten die Chinesen und Ägypter. Sie verfügten als erstes über Destil­lier­ge­räte. Aller­dings gibt es keine bestä­tigten Belege darüber, dass sie Alkohol produ­zierten. Viel­mehr stellten sie damit Parfüm, z.B. Rosenöl, her. Der Unter­schied zur Destil­la­tion von Alkohol war, dass diese Ölher­stel­lung keinen Kühler benö­tigte.

Brüggemann­Alcohol: Wann wurde erst­mals Alkohol herge­stellt und für welchen Zweck wurde dieser einge­setzt? 

Kurt Sarto­rius: Jüngere Funde in China zeigen den bisher ältesten „Wein“ mit einem Alter von 9.500 Jahren. Mit geringem Alko­hol­ge­halt und haupt­säch­lich in Form von Most und Honig­wein konsu­mierten dies damals der Adel und die Wohl­ha­benden. Im 11. Jahr­hun­dert wurde erst­malig in der Univer­sität von Salerno (Italien) hoch­pro­zen­tiger Brannt­wein herge­stellt. Der Magister Salernus gilt noch heute als Entde­cker der Alko­hol­de­stil­la­tion. Seinen Prozess umschrieb er mit merk­wür­digen Zeichen. Nur Einge­weihte sollten diese lesen können. Die Herstel­lung von Alkohol belief sich aller­dings auf nur sehr kleine Mengen, was den unzu­läng­li­chen Geräten geschuldet war. Die Spiri­tuose konnte anfäng­lich ausschließ­lich als Medizin einge­setzt werden, da zum einen die Mengen nicht ausreichten, um damit ein Genuss­mittel herzu­stellen, zum anderen erkannten die Menschen die wohl­tu­ende Wirkung des Getränkes erst später. Mit der Erfin­dung des Wasser­küh­lers im 14. Jahr­hun­dert verbes­serten sich die Anlagen zur Erzeu­gung von Alkohol. Nun konnten größere Mengen herge­stellt werden und die Herstel­lung von Trink­spi­ri­tuosen als Genuss­mittel begann.

Brüggemann­Alcohol: Warum wird Trin­kal­kohol auch Wein­geist genannt?

Kurt Sarto­rius: Wein­geist stellt den ältesten Begriff für Trin­kal­kohol, Trink­brannt­wein und Schnaps dar. Bis zum Jahre 1800 exis­tierte das Welt­bild der Grie­chen. Die Mensch­heit lebte in der Gewiss­heit, dass die Erde aus vier Elementen (Erde, Feuer, Wasser, Luft) bestünde, welche nicht mitein­ander mischbar seien. Mit dem Fort­s­chritt der Alko­hol­pro­duk­tion kamen diese Bilder ins Schwanken. Anfäng­lich wurden Trauben, also Wein, ausschließ­lich als Ausgangs­stoff für Spiri­tuosen verwendet. Daraus entstand im nächsten Schritt ein Wasser, welches brannte. Eine solch geis­ter­hafte, seither undenk­bare Reak­tion, begüns­tigte den Namen Wein­geist. Diese plötz­liche Verbin­dung der einst unmög­lich misch­baren vier Elemente leis­tete einen prägenden Beitrag zu unserem heutigem Welt­bild.

Brüggemann­Alcohol: Weshalb heißt Schnaps „Schnaps“?

Kurt Sarto­rius: Diese land­läu­figste Bezeich­nung Schnaps, kommt aus dem Nieder­deut­schen und bezieht sich auf das Verb „schnappen“. Dabei geht es darum, die Spiri­tuose mit einem kleinen, schnellen Schluck zu „schnappen“.

Brüggemann­Alcohol: Woraus entwi­ckelte sich Likör?

Kurt Sarto­rius: Als das Vorgehen der Destil­la­tion in vollem Gange lief, wurde schon früh erkannt, dass mit Hilfe von Alkohol eine wirk­same Heraus­lö­sung von Heil­s­toffen und Konser­vie­rung dieser möglich ist. Bis heute konnten auf diese Weise viel­fäl­tige Medi­ka­mente herge­stellt werden (z.B. homöo­pa­thi­sche Tropfen oder Phyto­phar­maka). Der Nach­teil dabei: Ein extrem bitterer Geschmack im Endpro­dukt. Nehmen wir das Beispiel der Blut­wurzel, welche bei Verdau­ungs­pro­blemen unter­stützt: Ihre Wurzeln werden ange­setzt, was einen dunkel­roten und bitteren Schnaps ergibt. Um diese bittere Medizin geni­eßbar zu machen, wurde Zucker oder Honig beige­fügt. So entstand Likör - meines Erach­tens nichts anderes als gesüßte Medizin.

Wenn sich jemand bei Alko­hol­his­torie als Spezi­a­list bezeichnen kann, dann Kurt Sarto­rius, Initi­ator und Leiter des Schwä­bi­schen Schnaps­mu­seums Bönnig­heim. Vor 44 Jahren baute er seine erste Schnaps­bren­nerei aus und beschäf­tigt sich fortan intensiv mit der Schnaps­ge­schichte. Folg­lich sollte aus der Bren­nerei ein Heimat­mu­seum entstehen. Aufgrund einer Empfeh­lung des Landes­mu­seums im Jahr 1985 entwi­ckelte sich daraus der Ansatz zur Planung eines Spezi­al­mu­seums. Die viel­fältig vorhan­dene Ange­bots­breite regi­o­naler Wein­bau­museen begüns­tigte letzt­end­lich die Idee der Erschaf­fung eines Schnaps­mu­seums (Eröff­nung 1993). Heute verfügt Kurt Sarto­rius über Deut­sch­lands größte alko­hol­ge­schicht­liche Muse­ums­samm­lung. Insbe­son­dere Destil­la­ti­ons­tech­niken, die Entwick­lung der Alko­hol­ge­schichte und Schwa­rz­bren­nerei zählen zu seinen Fach­ge­bieten. 2020 wurde das Schwä­bi­sche Schnaps­mu­seum für den Berliner Spirit Awards of Tradi­tion nomi­niert.

Bild­nach­weis: Kräu­ter­buch des Matt­hioli, 1586 / Schwä­bi­sches Schnaps­mu­seum Bönnig­heim / Alembik. Ein Destil­la­ti­ons­gerät mit Alembik und Luft­küh­lung. 

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