Von Ölen in China, über den Magister aus Salerno bis hin zu dem heute in Deutschland bekannten Weingeist – unser Interviewpartner Kurt Sartorius, Initiator und Leiter des Schwäbischen Schnapsmuseums Bönnigheim, teilt Expertenwissen mit uns!
BrüggemannAlcohol: Wann wurde erstmalig in der Geschichte ein Destillationsprozess durchgeführt?
Kurt Sartorius: Das Verfahren der Destillation existiert schon seit über 5.000 Jahren. Als Pioniere für diesen Prozess galten die Chinesen und Ägypter. Sie verfügten als erstes über Destilliergeräte. Allerdings gibt es keine bestätigten Belege darüber, dass sie Alkohol produzierten. Vielmehr stellten sie damit Parfüm, z.B. Rosenöl, her. Der Unterschied zur Destillation von Alkohol war, dass diese Ölherstellung keinen Kühler benötigte.
BrüggemannAlcohol: Wann wurde erstmals Alkohol hergestellt und für welchen Zweck wurde dieser eingesetzt?
Kurt Sartorius: Jüngere Funde in China zeigen den bisher ältesten „Wein“ mit einem Alter von 9.500 Jahren. Mit geringem Alkoholgehalt und hauptsächlich in Form von Most und Honigwein konsumierten dies damals der Adel und die Wohlhabenden. Im 11. Jahrhundert wurde erstmalig in der Universität von Salerno (Italien) hochprozentiger Branntwein hergestellt. Der Magister Salernus gilt noch heute als Entdecker der Alkoholdestillation. Seinen Prozess umschrieb er mit merkwürdigen Zeichen. Nur Eingeweihte sollten diese lesen können. Die Herstellung von Alkohol belief sich allerdings auf nur sehr kleine Mengen, was den unzulänglichen Geräten geschuldet war. Die Spirituose konnte anfänglich ausschließlich als Medizin eingesetzt werden, da zum einen die Mengen nicht ausreichten, um damit ein Genussmittel herzustellen, zum anderen erkannten die Menschen die wohltuende Wirkung des Getränkes erst später. Mit der Erfindung des Wasserkühlers im 14. Jahrhundert verbesserten sich die Anlagen zur Erzeugung von Alkohol. Nun konnten größere Mengen hergestellt werden und die Herstellung von Trinkspirituosen als Genussmittel begann.
BrüggemannAlcohol: Warum wird Trinkalkohol auch Weingeist genannt?
Kurt Sartorius: Weingeist stellt den ältesten Begriff für Trinkalkohol, Trinkbranntwein und Schnaps dar. Bis zum Jahre 1800 existierte das Weltbild der Griechen. Die Menschheit lebte in der Gewissheit, dass die Erde aus vier Elementen (Erde, Feuer, Wasser, Luft) bestünde, welche nicht miteinander mischbar seien. Mit dem Fortschritt der Alkoholproduktion kamen diese Bilder ins Schwanken. Anfänglich wurden Trauben, also Wein, ausschließlich als Ausgangsstoff für Spirituosen verwendet. Daraus entstand im nächsten Schritt ein Wasser, welches brannte. Eine solch geisterhafte, seither undenkbare Reaktion, begünstigte den Namen Weingeist. Diese plötzliche Verbindung der einst unmöglich mischbaren vier Elemente leistete einen prägenden Beitrag zu unserem heutigem Weltbild.
BrüggemannAlcohol: Weshalb heißt Schnaps „Schnaps“?
Kurt Sartorius: Diese landläufigste Bezeichnung Schnaps, kommt aus dem Niederdeutschen und bezieht sich auf das Verb „schnappen“. Dabei geht es darum, die Spirituose mit einem kleinen, schnellen Schluck zu „schnappen“.
BrüggemannAlcohol: Woraus entwickelte sich Likör?
Kurt Sartorius: Als das Vorgehen der Destillation in vollem Gange lief, wurde schon früh erkannt, dass mit Hilfe von Alkohol eine wirksame Herauslösung von Heilstoffen und Konservierung dieser möglich ist. Bis heute konnten auf diese Weise vielfältige Medikamente hergestellt werden (z.B. homöopathische Tropfen oder Phytopharmaka). Der Nachteil dabei: Ein extrem bitterer Geschmack im Endprodukt. Nehmen wir das Beispiel der Blutwurzel, welche bei Verdauungsproblemen unterstützt: Ihre Wurzeln werden angesetzt, was einen dunkelroten und bitteren Schnaps ergibt. Um diese bittere Medizin genießbar zu machen, wurde Zucker oder Honig beigefügt. So entstand Likör - meines Erachtens nichts anderes als gesüßte Medizin.
Wenn sich jemand bei Alkoholhistorie als Spezialist bezeichnen kann, dann Kurt Sartorius, Initiator und Leiter des Schwäbischen Schnapsmuseums Bönnigheim. Vor 44 Jahren baute er seine erste Schnapsbrennerei aus und beschäftigt sich fortan intensiv mit der Schnapsgeschichte. Folglich sollte aus der Brennerei ein Heimatmuseum entstehen. Aufgrund einer Empfehlung des Landesmuseums im Jahr 1985 entwickelte sich daraus der Ansatz zur Planung eines Spezialmuseums. Die vielfältig vorhandene Angebotsbreite regionaler Weinbaumuseen begünstigte letztendlich die Idee der Erschaffung eines Schnapsmuseums (Eröffnung 1993). Heute verfügt Kurt Sartorius über Deutschlands größte alkoholgeschichtliche Museumssammlung. Insbesondere Destillationstechniken, die Entwicklung der Alkoholgeschichte und Schwarzbrennerei zählen zu seinen Fachgebieten. 2020 wurde das Schwäbische Schnapsmuseum für den Berliner Spirit Awards of Tradition nominiert.
Bildnachweis: Kräuterbuch des Matthioli, 1586 / Schwäbisches Schnapsmuseum Bönnigheim / Alembik. Ein Destillationsgerät mit Alembik und Luftkühlung.